Mittlerweile haben alle vergessen, was der Auslöser für den Ibiza-Untersuchungsausschuss war: eine illegal aufgezeichnete Inszenierung, die zur peinlich besoffenen Prahlerei vor einer vorgeblich russischen Schönen führte. Und der Postenschacher-Vorwurf rund um den Casinos-Vorstandsjob für den FP-nahen Peter Sidlo. Man kann sich aber des Verdachts nicht erwehren, dass es zuerst darum ging, die FPÖ zu demobilisieren und dann – als diese aus der Regierung flog – die ÖVP zu „erwischen“. Man hangelte sich über Zufallsfunde auf dem Strache-Handy zum eigentlichen Ziel Sebastian Kurz – und stieß mit den Hunderttausenden Chats des Thomas Schmid auf eine wahre Goldgrube.
Wenn es stimmt, dass Finanzministeriumsgelder für ÖVP-Werbung zweckentfremdet wurden, dann ist das tatsächlich ein schweres Delikt. Allen Involvierten drohen hohe Haftstrafen. Ob Kurz persönlich beteiligt war, wissen wir nicht. Dafür kennen wir zahllose, teils degoutante, aber meist rechtlich irrelevante Äußerungen aus den Chats. Vieles davon vermittelt das Bild einer abgehobenen Gruppe. Dass jedes peinliche Detail sofort nach außen gespielt wird, irritiert aber auch.
Haben die Hinweise im Ibiza-Video auf Millionen-Korruption bei Grundstückswidmungen eigentlich zu ähnlich hartnäckigen Ermittlungen, Beschlagnahmen und Hausdurchsuchungen geführt? Geht es um Aufklärung oder um moralische Diskreditierung? Es ist anzunehmen, dass die Chat-Ausbeute noch jahrelang wider jedes Menschenrecht auf Briefgeheimnis ausgeschlachtet wird – jedenfalls so lange, bis die ÖVP von der Macht verdrängt ist.
Es ist ja schon interessant, wie enttäuscht auch Teile des grünen Koalitionspartners wirken. Der Regenbogen samt Kickl-Blau hätte schon so verheißungsvoll geglitzert. Die türkis-schwarz-grüne Koalition wird daher mühsam zusammenzuhalten zu sein, beide Partner sind frustriert.
Politische Debatten und auch die „sozialen“ Medien sind derzeit von Hass, Häme und Rachsucht durchzogen.
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